five days off.... Kerala
Bahnhof Bangalore, vergangenen Freitag um 19:05. Leider fünf Minuten zu spät. Der Zug Richtung Alleppey ist abgefahren, erfahren wir per SMS von den anderen vier Reisegenossen, die es sich wahrscheinlich gerade auf den reservierten Pritschen im Sleeper-Wagon bequem machen. Thomas und ich stehen ziemlich angepisst im Gewühle und schieben uns gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Klar sind wir zu spät vom Hitiki Haus weggefahren. Indian Times sollte man großzügiger berechnen als anderswo. Bis man das kapiert hat, muss viel Lehrgeld bezahlt werden. Aber mehr dazu noch später. Und klar ist uns eine Wasserwand in die Quere gekommen, die den Totalstillstand auf Koramangalas Straßen verursacht hat. Unser betagter, aber dennoch schwer motivierter Rikshawfahrer quetscht sich durch jede frei gewordene Lücke, lässt den Zweitaktermotor aufheulen und bringt so manchen Radlfahrer in echte Not, noch rechtzeitig die Kurve vor unserem Höllengefährt zu kratzen.
Am Bahnhof. Am Schalter für ältere Menschen, Touristen und Behinderte. Wir bekommen nach einer geschlagenen halben Stunde endlich die Information, dass ein anderer Zug in eine ähnliche Richtung fahren wird. Ticketreservierung für 3Tier AC und Sleeper ausgeschlossen, stellen wir uns gemeinsam mit rund 60 Indern am Hauptschalter an und ergattern eine Fahrkarte für die General Class. Am Bahnsteig angekommen sehe ich ungläubig in das für uns vorgesehene Abteil. Kein Millimeter Platz. Stapelweise Menschen. Schnurstracks renne ich zum Schaffner, bettle was das Zeug hält, und schließlich dürfen wir in den Mittelteil zweier Sleeper einsteigen. Wirklich einladend ist das Fleckchen Boden direkt vor den Klos nicht unbedingt, ich beobachte angestrengt die Wasser(?)lacke, die sich im Minutentakt ausbreitet. Aber in netter Gesellschaft von einer Maus und einer Kakerlakengroßfamilie schlafe ich schließlich ein. 15 Stunden Fahrt warten auf uns, die mir angesichts unseres Reiseziels, Kerala, nicht sehr viel ausmachen. Die Lichter der Stadt verblassen, wir fahren Richtung Südwesten, in ein anderes Indien.
Unser Ziel lautet Chenganaserry, eine Stadt rund 30 Kilometer entfernt von Alleppey. Mit dem Bus treten wir die letzte Etappe unserer Reise an, fahren eine schnurgerade Straße durch die beginnenden Backwaters, feuchte tropische Luft schlägt und entgegen, die Sonne brennt, wir sind da!!!
In Alleppey angekommen bleibt uns nicht viel Zeit, wir laufen gemeinsam mit Horden von Indern um die Wette, um rechtzeitig einen guten Platz für das alljährliche Snake Boat Race zu ergattern. 25 bis 100-Mann Boote rudern um die Wette, mehr oder weniger im Takt der Trommeln und Pfeifen, die in der Mitte der langen und schmalen Boote mitgeführt werden. Ein Hauch von Whiskey hängt in der Luft, ausgestoßen von Gesichtern, aus denen rote blutunterlaufene Augen hervorstechen und mich unverschämt anstarren. Die Schlachtgesänge der ausschließlich männlich besetzten Fanclubs erinnern mich an heimische Fußballspiele, die Stimmung ist am kochen, junge und alte Inder umarmen sich, haken sich ein und singen um die Wette. Ab und zu ertönt ein lautes „Ooohhh“, wenn eines der Boote plötzlich wieder im Wasser versinkt.
Nach dem ganzen Rummel finden wir auch die anderen mittlerweile fünf Bangaloreans wieder. Stan aus Prag, Nicole aus Los Angeles, Martijn aus Utrecht, Markus und Thomas aus Deutschland.
Am Sonntag Vormittag heißt’s Schiff ahoi! Wir mieten ein Hausboot, lassen den Lärm hinter uns und tauchen ein in die grüne und blaue Welt der Backwaters. Für ein paar Stunden tuckern wir durch die endlos scheinende Wasserlandschaft, machen’s uns auf dem Deck gemütlich und lassen die Zeit einfach Zeit sein. Martijn als reinkarnierter Rudi Carrell führt uns ein in die Welt der niederländischen Volksmusik. Die Jungs durchqueren einen der Kanäle schwimmend, am Abend bekommen wir Besuch von ein paar Ziegen, der Nachthimmel ist klar und wir trinken Bier. Sonst nichts.
Für Montag haben wir keinen Plan, schmeißen die Rucksäcke auf ein Taxi und fahren rund 20 Kilometer nördlich, biegen wahllos in eine Küstenstraße ein und erreichen nach einer halben Stunde Fahrt Marali Beach. By the way: Versucht einfach mal, diejenigen Plätze zu finden, die nicht im individuellen Lonely Planet angeführt sind. Denn das sind die besten. Bis auf hunderte Palmen, Sand und Meer gibt’s am Marali Beach nicht viel zu sehen. Keine Strandbars, keine besetzten Liegen, keine Uhrenverkäufer, kein gar nichts. Nur wir, die sich in die tosenden Wellen stürzen, schlafen, mehr oder weniger erfolgreich Kokosnüsse öffnen und sich ordentlich die Haut verbrennen. Die Herren der Schöpfung treiben schließlich irgendwo in einem umliegenden Dorf Reis und Curry auf, dinniert wird auf Bananenblättern. Ich liebe indische Wochenenden.
Dienstag Vormittag brechen wir Richtung Cochi auf, in die Hauptstadt Keralas. Mit der Fähre erreichen wir die kleine Insel Fort Cochi, auf der vor einigen hundert Jahren die Portugiesen und später die Niederländer eingetroffen sind. St. Francis Church ist das älteste katholische Kirchengebäude in Indien, in Jew Town besuchen wir den Gewürzmarkt und eine Synagoge.
Um nun auf indische Zeitrechung zurückzukommen. 19.50, Cochi Airport. Dieser sture JetAirways-Bedienste weigert sich doch wirklich, uns noch in das Flugzeug Richtung Bangalore einsteigen zu lassen. AArrrrhhgg. Okay, Departure ist um 20.00, wir sind eventuell unter Umständen vielleicht etwas zu spät dran, aber diese Maschine befindet sich noch nicht auf der Startbahn. No way. NO WAY!!! Wir haben auf Fort Cochi im Teapot die Zeit übersehen, die Fähre zurück hatte ich auch eine Spur schneller in Erinnerung, und schließlich finden wir in diesem vor lauter Verkehrsmitteln überquellenden Land kein Taxi, das uns zum 30 km entfernten Flughafen bringt.
Während die anderen vier, weil anderen Flug gebucht, Richtung Bangalore abheben, stehen Thomas und ich wiedermal alleine am Jetairways Schalter und schieben uns wiedermal gegenseitig die Schuld in die Schuhe.
Also buchen wir einen viel zu teuren Notfallflug und landen 1,5 Stunden später in Bangalore. Nächstes Mal nehm ich den Bus. So eine blöde Idee aber auch...
ABER: sehr sehr gutes Wochenende!
3 Kommentare:
Hey,
echt ein schoner Text muss ich sagen. Aber wer ist der "Martin" unter den 5 Bangalorians? ;-)
Liebe Gruesse,
Markus
hey..'tschuldige! See you on Thursday, Stan's farewell?!
sehr nett, sehr aufregend. bitte, bitte mehr!
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